Die Digitalisierung im Gesundheitswesen schreitet unaufhaltsam voran und eröffnet zahlreiche Möglichkeiten, die Qualität der medizinischen Versorgung zu verbessern. Ein zentraler Aspekt dabei ist die Datenportabilität. Datenportabilität im Gesundheitswesen bezieht sich auf die Möglichkeit, personenbezogene Gesundheitsdaten zwischen verschiedenen Systemen, Anbietern oder Anwendungen zu übertragen und wiederzuverwenden, ohne dass der Patient die Kontrolle über seine Daten verliert. Diese Fähigkeit ist entscheidend für die Verbesserung der Versorgung, die Stärkung der Patientenautonomie und die Förderung von Innovationen im Gesundheitssektor.
Warum ist Datenportabilität im Gesundheitswesen wichtig?
- Verbesserte Patientenversorgung: Wenn Patienten ihre Gesundheitsdaten problemlos zwischen verschiedenen Anbietern übertragen können, ermöglicht dies eine umfassendere und besser informierte Versorgung. Ein Spezialist kann bei einem Krankenhauswechsel sofort auf vollständige medizinische Aufzeichnungen zugreifen, was Verzögerungen und Fehlentscheidungen verhindert.
- Erhöhte Patientenautonomie: Datenportabilität stärkt die Autonomie der Patienten, indem sie ihnen die Kontrolle über ihre Gesundheitsdaten gibt. Patienten können ihre Daten zu neuen Anbietern oder in Gesundheits-Apps ihrer Wahl mitnehmen, was ihnen eine aktivere Rolle in ihrer Gesundheitsversorgung ermöglicht.
- Förderung von Innovation und Forschung: Interoperable und portable Gesundheitsdaten können anonymisiert für Forschung und Innovation genutzt werden, was zur Entwicklung neuer Therapien und diagnostischer Tools beiträgt.
- Effizienzsteigerung und Kostensenkung: Durch Datenportabilität können redundante Tests und Untersuchungen reduziert werden, da Gesundheitsdienstleister auf bereits vorhandene Daten zugreifen können. Dies spart sowohl Kosten als auch Zeit für Patienten und das Gesundheitssystem.
- Einhaltung von Datenschutzbestimmungen: Die Portabilität von Gesundheitsdaten unterstützt die Einhaltung von Datenschutzgesetzen, indem sie sicherstellt, dass Patienten die Kontrolle über ihre Daten behalten und nur notwendige Informationen weitergeben.
Beispiele für Datenportabilität im Gesundheitswesen
- Elektronische Gesundheitsakten (EGA) in den USA: In den USA haben Patienten das Recht, eine Kopie ihrer elektronischen Gesundheitsakte (EGA) anzufordern und diese in einem nutzbaren Format an einen anderen Gesundheitsdienstleister oder eine App zu übertragen. Gesetze wie das Health Insurance Portability and Accountability Act (HIPAA) und der 21st Century Cures Act unterstützen diesen Prozess.
- Apple Health Records: Apple bietet mit der Health Records-Funktion eine Möglichkeit, Gesundheitsdaten von verschiedenen Krankenhäusern und Kliniken auf einem iPhone zu speichern und zu teilen. Patienten können ihre EHR-Daten (Elektronische Patientenakte) direkt auf ihrem Gerät speichern und mit anderen Gesundheits-Apps im Apple-Ökosystem teilen.
- Gaia-X im europäischen Gesundheitswesen: Gaia-X ist eine europäische Initiative, die ein sicheres und interoperables Datenökosystem schaffen will. Im Gesundheitswesen ermöglicht Gaia-X den grenzüberschreitenden Austausch von Gesundheitsdaten innerhalb der EU unter Wahrung von Datenschutz und Datenportabilität. Weitere Informationen finden sich auf der Gaia-X Webseite.
Probleme und Schwierigkeiten
Trotz des Potenzials zur Verbesserung der Versorgung gibt es erhebliche Herausforderungen, die sowohl Patienten als auch Gesundheitsanbieter betreffen. Diese umfassen Datenschutzrisiken, fehlende Standardisierung und die technische Komplexität der Umsetzung.
Chancen der Datenportabilität
- Kontinuität der Versorgung: Durch den schnellen und sicheren Transfer von Gesundheitsdaten kann die Kontinuität der Behandlung gewährleistet werden. Neue Anbieter erhalten sofort ein vollständiges Bild über die Krankengeschichte und können notwendige Behandlungsmaßnahmen ohne Verzögerung ergreifen.
- Patientenmündigkeit: Patienten erhalten die Kontrolle über ihre Daten und entscheiden selbst, wer Zugang zu ihren Gesundheitsinformationen erhält.
- Effizienzsteigerung: Standardisierte Datenformate ermöglichen es Anbietern, administrative Prozesse zu optimieren und Fehler bei der manuellen Dateneingabe zu minimieren.
Risiken und Herausforderungen der Datenportabilität
- Datenschutz und Sicherheit: Ein zentrales Problem ist der Schutz sensibler Gesundheitsdaten. Beim Transfer besteht die Gefahr, dass unberechtigte Dritte auf die Daten zugreifen oder diese manipulieren, was schwerwiegende Folgen für die Privatsphäre der Patienten haben kann.
- Kompatibilität und Standardisierung: Fehlende einheitliche Standards führen häufig zu Kompatibilitätsproblemen zwischen verschiedenen Systemen, was den Datentransfer erschwert und verlangsamt.
- Komplexität der Umsetzung: Die technische Umsetzung der Datenportabilität ist komplex und erfordert erhebliche Investitionen in die IT-Infrastruktur, insbesondere für kleinere Praxen.
Handlungsempfehlungen
- Patientenaufklärung und -beteiligung: Patienten sollten aktiv in den Prozess der Datenübertragung einbezogen und über ihre Rechte und den sicheren Umgang mit ihren Daten aufgeklärt werden.
- Förderung der Standardisierung: Einheitliche Standards für die Speicherung und den Austausch von Gesundheitsdaten sollten entwickelt werden, um die Kompatibilität zwischen verschiedenen Systemen zu verbessern.
- Stärkung des Datenschutzes: Es ist entscheidend, robuste Sicherheitsmaßnahmen zu implementieren, einschließlich Verschlüsselung und strenger Zugriffskontrollen. Patienten sollten über ihre Rechte und die Sicherheitsmaßnahmen informiert werden.
- Investition in technische Infrastruktur: Sowohl große als auch kleine Gesundheitsanbieter müssen in ihre IT-Infrastruktur investieren. Staatliche Förderprogramme könnten dabei helfen, finanzielle Hürden zu überwinden.
Umsetzung der Handlungsempfehlungen
1. Förderung der Standardisierung:
- Schritt 1: Bedarfsanalyse und Stakeholder-Beteiligung:
- Durchführung von Workshops und Umfragen, um die Bedürfnisse und Anforderungen der verschiedenen Akteure im Gesundheitswesen zu ermitteln.
- Einbindung von IT-Experten, Gesundheitseinrichtungen und Patientenvertretern in die Entwicklung von Standards.
- Schritt 1: Bedarfsanalyse und Stakeholder-Beteiligung:
- Schritt 2: Entwicklung eines nationalen Standardisierungskatalogs:
- Erstellung eines umfassenden Katalogs mit Standards für die Speicherung, den Austausch und die Sicherheit von Gesundheitsdaten.
- Berücksichtigung internationaler Standards wie HL7 und FHIR, um Interoperabilität zu gewährleisten.
- Schritt 2: Entwicklung eines nationalen Standardisierungskatalogs:
- Schritt 3: Pilotierung und Evaluierung:
- Einführung der entwickelten Standards in ausgewählten Regionen oder Einrichtungen zur Testung.
- Evaluierung der Implementierung und Anpassung der Standards basierend auf Feedback und Ergebnissen.
- Schritt 3: Pilotierung und Evaluierung:
- Schritt 4: Gesetzliche Verankerung und kontinuierliche Aktualisierung:
- Verabschiedung von gesetzlichen Regelungen zur verpflichtenden Anwendung der entwickelten Standards.
- Regelmäßige Überprüfung und Aktualisierung der Standards, um technologische Entwicklungen zu berücksichtigen.
- Schritt 4: Gesetzliche Verankerung und kontinuierliche Aktualisierung:
2. Stärkung des Datenschutzes:
- Schritt 1: Implementierung von Sicherheitsprotokollen:
- Einführung und Umsetzung von Verschlüsselungsmechanismen für alle gespeicherten und übertragenen Daten.
- Entwicklung strengerer Zugriffskontrollsysteme, die sicherstellen, dass nur autorisierte Personen Zugang zu sensiblen Daten haben.
- Schritt 1: Implementierung von Sicherheitsprotokollen:
- Schritt 2: Schulung des Personals:
- Durchführung von regelmäßigen Schulungen und Weiterbildungen für medizinisches Personal und IT-Fachkräfte zu Datenschutzthemen.
- Entwicklung eines Bewusstseins für den Datenschutz und die damit verbundenen gesetzlichen Anforderungen.
- Schritt 2: Schulung des Personals:
- Schritt 3: Information der Patienten:
- Erstellung von leicht verständlichen Informationsmaterialien, die Patienten über ihre Datenschutzrechte und die getroffenen Sicherheitsmaßnahmen aufklären.
- Einrichtung einer Hotline oder eines Online-Portals, über das Patienten Fragen zum Datenschutz stellen können.
- Schritt 3: Information der Patienten:
- Schritt 4: Monitoring und Audits:
- Schritt 4: Monitoring und Audits:
- Durchführung regelmäßiger Audits und Penetrationstests, um die Wirksamkeit der Sicherheitsmaßnahmen zu überprüfen.
- Implementierung eines Monitoring-Systems, das Datenschutzverletzungen in Echtzeit erkennt und meldet.
3. Investition in technische Infrastruktur:
- Schritt 1: Bedarfsermittlung und Priorisierung:
- Durchführung einer umfassenden Bedarfsanalyse, um den aktuellen Zustand der IT-Infrastruktur zu bewerten und Investitionsbedarf zu identifizieren.
- Priorisierung der Investitionen basierend auf Dringlichkeit und potenziellem Nutzen.
- Schritt 1: Bedarfsermittlung und Priorisierung:
- Schritt 2: Entwicklung von Investitionsplänen:
- Erstellung detaillierter Pläne für die Modernisierung der IT-Infrastruktur, einschließlich der Anschaffung von Hardware, Software und Netzwerkausrüstung.
- Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse kleinerer Gesundheitsanbieter bei der Planung.
- Schritt 2: Entwicklung von Investitionsplänen:
- Schritt 3: Finanzierung und Förderung:
- Beantragung von staatlichen Fördermitteln und Zuschüssen für die Umsetzung der Investitionspläne.
- Zusammenarbeit mit privaten Investoren oder öffentlichen Einrichtungen zur gemeinsamen Finanzierung von Großprojekten.
- Schritt 3: Finanzierung und Förderung:
- Schritt 4: Implementierung und Support:
- Schritt 4: Implementierung und Support:
- Durchführung der geplanten IT-Investitionen, einschließlich der Installation neuer Systeme und der Migration bestehender Daten.
- Sicherstellung, dass ein kontinuierlicher technischer Support für die neuen Systeme verfügbar ist.
4. Patientenaufklärung und -beteiligung:
- Schritt 1: Entwicklung von Aufklärungsmaterialien:
- Erstellung von Broschüren, Videos und Online-Kursen, die den Patienten den sicheren Umgang mit ihren Gesundheitsdaten erläutern.
- Bereitstellung von Informationen über Patientenrechte im Zusammenhang mit der Datennutzung und dem Datenschutz.
- Schritt 1: Entwicklung von Aufklärungsmaterialien:
- Schritt 2: Einführung von Patientenportalen:
- Entwicklung von benutzerfreundlichen Online-Portalen, über die Patienten auf ihre Gesundheitsdaten zugreifen und diese verwalten können.
- Integration von Funktionen zur Kommunikation mit Gesundheitsdienstleistern und zur Verwaltung von Datenschutz-Einstellungen.
- Schritt 2: Einführung von Patientenportalen:
- Schritt 3: Durchführung von Informationsveranstaltungen:
- Organisation von Workshops und Informationsveranstaltungen, um Patienten über den sicheren Umgang mit Gesundheitsdaten aufzuklären.
- Einbindung von Patientenvertretungen in die Entwicklung und Durchführung dieser Veranstaltungen.
- Schritt 3: Durchführung von Informationsveranstaltungen:
- Schritt 4: Evaluation und Feedback-Schleifen:
- Regelmäßige Befragungen der Patienten zur Wirksamkeit der Aufklärungsmaßnahmen.
- Anpassung der Materialien und Angebote basierend auf dem Feedback der Patienten, um kontinuierlich Verbesserungen zu erzielen.
- Schritt 4: Evaluation und Feedback-Schleifen:
Fazit
Die Datenportabilität im Gesundheitswesen bietet sowohl Patienten als auch Anbietern erhebliche Vorteile, aber auch Herausforderungen. Durch die Förderung von Standardisierung, den Schutz der Daten und Investitionen in die IT-Infrastruktur kann die Datenportabilität zu einem wichtigen Baustein für eine moderne, effiziente und patientenorientierte Gesundheitsversorgung werden.
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Quellen:
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Deutsche wollen die Digitalisierung des Gesundheitswesens – aber die Hälfte fühlt sich überfordert | Presseinformation | Bitkom e. V.
KBV – Gesundheitsdaten – Zahlen, Trends und Analysen
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BSI – E-Health – eHealth – Cybersicherheit im Gesundheitswesen (bund.de)
Datenportabilität nach der EU-DSGVO | Datenschutz 2024
Datenportabilität im Europäischen Gesundheitsdatenraum: Vorteile, Risiken und Herausforderungen – Eipa
Big Data im Gesundheitswesen: 3 Beispiele aus der Praxis (softeq.com)
Datenschutz bei Gesundheitsdaten | gesundheit.digital.forum (gesundheit-digital-forum.de)
Datenübertragbarkeit: Das Betroffenenrecht in der Praxis (dr-datenschutz.de)
Health & Medicine | Gesundheitsdatenschutz (srd-rechtsanwaelte.de)